Wir Menschentiere.

Ist es nicht seltsam wie fremd dieser Begriff erscheint?! Wir alle wissen um die Evolution. Dass wir aus dem Wasser kommen, vom Affen stammen oder sagen wir: mit ihm verwandt sind. Aber dass wir selbst zum Tierreich und zur Natur gehören, mit diesem Gedanken sind wir nicht befreundet.

Ob es durch die Religionen kommt, esoterische, spirituelle oder schamanische Praktiken, Philosophien oder Systeme, der Mensch empfindet Eigenschaften, in denen er seine Tierhaftigkeit erlebt, die ihn tierhaft erscheinen lassen oder in denen er sich tierhaft fühlt, meist als negativ. Oft fürchten wir uns sogar vor diesen Eigenschaften. Sie »stören« uns. Unser Glück. Und die Vorstellung vom inneren Frieden. Wir fühlen uns schlecht für sie, schämen uns. Da folgt man ja seinen Trieben, Instinkten. Stattdessen wünscht man sich doch erwachsen, gereift, moralisch gut, gelassen und überlegt, entspannt zu sein. Und so wahrgenommen zu werden.

Ehrlich?

Im Grunde entsteht so eine schizophrene, unehrliche, innerlich zerrissene Situation. Wir verschieben unsere tierisches Sein in den Schatten. Und in die Projektion. Ein bockendes Pferd ist unerwünscht, weil bockende Menschen unerwünscht sind. Für Pferde ist Bocken vielleicht Ausdruck von Lebensfreude. Oder Abwehr von Unangenehmen, der Schutz vor Lebensbedrohlichem? Oder vielleicht auch einfach nur ein Körpererlebnis? Also, eine simple Sache.

Wir aber verstehen es oft genug als Machtspiel. Bockt ein Pferd in der Nähe oder unter dem Menschen, dann ist es ... was? Wir tun uns schwer Verhalten ohne Bewertung zu betrachten. Und suchen nach Wegen (Pferdetrainings jeder Art) die bockende Pferde und ihre Menschen erst mal kategorisieren: Problempferd. Oder Problemmensch. Auf jeden Fall: Problem.

Be fair.

In vielen noch so sanften Pferdetrainings gibt es keinen echten Respekt oder Augenhöhe mit dem einzelnen Perd als pferdisches, subjektives Wesen. Jemand, ein gleichberechtigtes Lebewesen, das seine eigenen Antworten auf seine ganz persönlichen Fragen braucht. Nicht die von anderen. Oder welche, die wir von ihm erwarten. Für die »richtigen« halten. Es gibt nur eine menschenzentrierte Sicht auf ein Wesen, das als kooperativ, wohlerzogen und liebenswert gilt, wenn es das richtige Verhalten zeigt.

Jede Form des Trainings von Reaktivität (Einüben erwünschten Verhaltens) ist kein echtes Lernen, sondern antrainiertes Aufgeben persönlichen Lernens. Und – für mich – eine Verbiegung des Pferdes. Wie auch des Menschen. Egal, wie sie begründet wird.

Fair enough.

Wenn wir reaktives Verhalten nicht mehr als »Lernen« verstehen, gibt es dann gar kein Lernen mehr? Doch, jede Menge. Es gibt nur keinen Lehrplan mehr.

Statt ein Wesen dahin zu trainieren, zu konditionieren, das zu machen, was richtig ist, geht es um die Freiheit des (sich selbst subjektiv) Ausprobierens. Ohne, dass der Ablauf oder ein bestimmtes Ergebnis des Lernprozesses vorgegeben wird.

Keine erwünschte Reaktion.

Kein richtig oder falsch. Nur: meine subjektiven Erfahrungen, die mir helfen, das, was ich erlebe in meine mir bisher bekannte Welt AUF MEINE ART zu integrieren. Ohne Vorgabe. Ich verstehe dann, was das ist, was das mit mir »macht«, wie das für mich funktioniert, weil ich es selbst aus freiem Willen gefragt, untersucht, herausgefunden und so viel damit ausprobiert habe, bis ich keine Antworten auf meine Fragen dazu mehr brauchte. Denn erst dann kann ich sagen, ich verstehe und kenne das.

Und diese Erfahrungen zu sammeln ... kann richtig lange dauern. Bis hin zu Jahren.

Was ist denn dann unser »Job« als Mensch mit den Pferden? Mehr dazu gibt es in den Seminaren.

Kann das jedes Pferd? Im Prinzip: ja. Praktisch: oft nein. Es gibt viele Faktoren, die gegeben sein müssen. Auch dazu: mehr in den Seminaren.

Wie lernen Tiere?

Eine große Frage. Gehen wir einmal davon aus, dass das meiste, was wir darüber zu wissen glauben, aus der Verhaltensforschung stammt. Und damit ... Interpreta-
tionen von Menschen sind. Thesen werden aufgestellt, Untersuchungsreihen oder Forschungsprojekte gebildet. Und dann wird interpretiert. Die Subjektivität der einzelnen Wesen wird dabei ausgeklammert. Es geht ja um »objektive« Ergebnisse. »So ist es richtig.« Nicht um subjektive Erlebnisse, die den Erfahrungshintergrund so gut füllen, dass eigene Entscheidungen möglich sind.

Hinter allem, was geforscht und untersucht wird, steht zudem meistens noch die Grundannahme, dass sich im Tierreich alles um's Überleben (Erhalten der eigenen Spezies) dreht. Aber wieso glauben wir das? Das ist nicht mehr als unsere Interpretation der Dinge. Was wenn wir das weglassen?

Die Rückkehr der Neugier.

Ich wünsche sie mir. Bei Mensch und Pferd. Die selbstverständliche Lust am Ausprobieren als mein unerschütterliches Recht Dinge und Situationen auf meine Art zu erkunden. Die Freiheit auch – das zu tun oder zu lassen. Breaks zu machen. So oft und so lange ich will. Die Möglichkeit Dynamiken zu durchleben. Jeder Art. Alle Details und ihre Wirkung auf mich ebenso zu untersuchen. Wie alles das, was ich damit machen kann. Die Freiheit, alle meine persönlichen Fragen an das Erleben und das Neue zu stellen. Ohne dass mir jemand eine Richtung gibt, in die meine Antworten gehen sollten.

TBC.